17. Januar 2012

EINS: Einführung



Der Tod


„die größte Erfindung der Natur ist der Tod“ hat wahrscheinlich Jacques Théodore Jules Lecomte du Noüy (1885–1961) gesagt, zitiert von Lama Anagarika Govinda in seinem Tibet-Buch „Der Weg der weißen Wolken“ (Seite 278).

Es gibt Geisteshaltungen, die in erster Linie den Tod verdammen und Ängste gegen ihn schüren. Da ich das Leben liebe und sehe, daß Leben ohne Tod nicht möglich ist, stelle ich mich nicht gegen den Tod – wie könnte ich, er ist eine große Erfindung, er ist auch Teil des Lebens.

Für mich ist meine Existenz wie eine unendlich lange Zeit-Linie, auf der ich mich jetzt gerade an einem Punkt befinde, der Gegenwart, und auf der zwei weitere, aktuelle Punkte sind, die Zeugung (oder die Geburt) und der Tod.

- - - - - - - Zeugung-------Gegenwart-------Tod - - - - - - -

Wie ich lese bei Anagarika Govinda (in seiner Begleitung zum Bardo Thödol, 1960?), besteht auch diese Gegenwart aus einer dauernden Aufeinanderfolge von Sterben und Geboren-Werden. Und wenn ich mein Leben ansehe, kann ich wenigstens sagen: kontinuierlich glatt verläuft es ja nicht, es finden sich darin viele Tode - oder Fast-Tode - und Wieder-Geburten. Nun, das sind meine Ansichten meines Lebens.

Von meinem kommenden Tod weiß ich sehr wenig, doch gibt es viele Beobachtungen anderer und Hypothesen darüber, was Tod ist und wo er hinführt. In diesen zwei Blogs (http://mein-leben-und-sterben-eins-und-zwei.blogspot.com/ und  http://mein-leben-und-sterben-drei-bis-fuenf.blogspot.com/2011/04/vier-abschlu.html ) habe ich ein paar Andeutungen geschrieben, was Sterben und Tod sind, sie stammen aus meinen beiden Geschichten „mein Tibet“ (http://mein-tibet-organisation.blogspot.com/) und „Die Ghân in Rohan“ (http://ghaninrohaneins.blogspot.com/). Und zum Schluß des zweiten Blogs eine Zusammenfassung, den Abschluß.

Der erste Blog, in dem ihr gerade lest,  ist hier: http://mein-leben-und-sterben-eins-und-zwei.blogspot.com/







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ZWEI: bei den Ghân - Leben und Sterben

eine gesamte Liste meiner Blogs findet sich hier:
http://mein-abenteuer-mein-leben75.blogspot.com/

Rechts auf dem gelben Feld könnt Ihr noch die Einführung anklicken.
Meine Berichte über Leben und Sterben im Tibet in 1000 Jahren findet Ihr hier: http://mein-leben-und-sterben-drei-und-vier.blogspot.com/





Mein ganzes, spirituelles Leben bei den Ghân, in den Jahren nach
dem schrecklichen Krieg gegen den Herrn der Ringe, Sauron,
habe ich in einem Blog-Buch beschrieben:

- doch wie die Ghân-Leute das Sterben erleben, will ich euch hier noch mal gesondert, ungekürzt zeigen:




Ausschnitt aus Heft 29 im Buch:

... später legen wir uns in der Hütte hin und schlafen sehr lange. Am Morgen kann ich mich an kein Träumen erinnern. Der Schlaf war unendlich klar, rein, einfach und eindeutig – und erholsam. Ist es so nach dem Sterben, im Tod?

Wie ich aufwache – ich war doch die ganze Nacht wach? – bin ich mit einer Klarheit wach, die ich noch nie erlebt hatte. Nackt liege ich unter einem Fell, stehe schnell auf und gehe hinaus. Mein Hund kommt mit, und zusammen recken wir uns wie die Sonne aufgeht und genießen Feuchte, Kühle und leichten Wind auf unserer Haut.

Wir bleiben ein paar Tage hier, und einmal habe ich Gelegenheit, den Mann aus der Ewigkeit – wie ich ihn bei mir nenne – zu fragen, was eigentlich von einem Leben zum nächsten wandert, ich frage: was wandert „wach und klar durch die Zeiten zwischen den Leben“? Das Gehirn ist es ja nicht, auch nicht das, was im Gehirn gespeichert ist. Er sagt:

"Nein, nicht das Gehirn oder das, was es gelernt hat. Aber ich sehe, es wandert etwas auch ohne daß etwas wie ein Buch oder ein Brief hinüber geht von einem Leben zum nächsten. Es ist aber eine Art ERINNERUNG, das haben schon viele Ghân erlebt und immer wieder berichtet. Wahrscheinlich kannst du dir dieser Erinnerung nicht bewußt sein, aber sie beeinflußt dein Wesen und dein Leben."

Was ist denn in dieser Erinnerung drin, und was nicht?

"Es sind wohl nur die starken Erlebnisse und Eigenschaften, die den Tod und alles danach überdauern. Das Sterben ist ja ein sehr mächtiges und verwirrendes Geschehen, und man vergisst dabei vieles. Vieles geht verloren.

"Doch die starken Erlebnisse und Eigenschaften vergisst man nicht so leicht. Wenn du unglücklich warst in deinem Leben, wird all dein Unglück wieder einen Platz finden. Wenn dein Leben voller Leiden war, geht auch dieses Leiden nicht verloren sondern findet eine Stelle, in der es wieder in ein Leben eindringt. Diese Erinnerungen werden in ein neues Gedächtnis eingehen und das Neue Leben stark beeinflussen, ja, sie gestalten es bis in viele Einzelheiten hinein.

"So kann es kommen, daß du dich an ein früheres Leben erinnern kannst, das ist aber nicht dein altes Gedächtnis oder dein altes Ich, denn dieses Ich gibt es ja nicht mehr, es ist mit dem Tod verschwunden. Sondern du bist ein neues Ich und hast irgendeine Erinnerung geerbt. DU bist es nicht, das wiedergeboren wird, sondern nur die Erinnerungen deines Vorgängers, die sozusagen frei und heimatlos in der Luft umher geschwebt sind, haben in dir eine neue Heimat gefunden. Du bekommst sie mit `in die Wiege gelegt´ ".

Werden auch Glück und gute Verdienste so weiter erinnert?

"Nein, denn Glück ist kein besonderer Zustand, es ist der natürlichste, der normalste Zustand. So ist es auch mit guten Taten.

"Nur Zustände und Erlebnisse und Taten, die ganz anders als das Normale sind und die einem Probleme machten, werden erinnert. Glück ist aber so normal, daß es keine Spuren hinterläßt, es ist nichts besonderes oder störendes, das sich in der Erinnerung einprägt. Glück ist einfach nicht mehr da, wenn du gestorben bist, auch nicht in der Erinnerung. Und so ist es mit den guten Taten."

Wie du das sagst, kommt es mir so vor, daß das Glück nicht von einem Leben zum anderen weitergegeben wird, nur das Unglück. Das ist doch schade, so kann die Welt niemals glücklicher werden – stimmt das?

"Ja, so etwa sehe ich das auch. Stell dir mal vor, wir könnten einfach so die Erinnerung eines glücklich gestorbenen Menschen einfangen und übernehmen und – zack – wäre unser Leben garantiert glücklich ..., das wäre ein großer Irrtum. Auf diese Weise kann die Welt nicht glücklicher werden. Das ist einfach so und wir können das nicht ändern. Aber wir können es erkennen und uns danach richten, können unser Leben danach einrichten. Können alles vermeiden, was ein nächstes Leben belastet und der Welt Schwierigkeiten macht."

Wir KÖNNEN es tun, aber wollen wir?

"Ulam (der Buddha) hat immer wieder gesagt, `die Verantwortung liegt bei euch. ... ihr habt auch die Verantwortung, daß das Leben immer glücklicher wird´ – oder richtiger: daß immer weniger Unglück und Leiden auftritt. Das ist eine immer neue nie endende Aufgabe. Denn sollte mal ein Volk ganz glücklich sein, braucht nur ein ganz unglücklicher Mensch kommen und seine Machtgelüste austoben, dann ist innerhalb zwei Generationen alles wieder verloren.

"Wir leben um zu erfahren und zu lernen, immer wieder, ... jeder Mensch wieder von Neuem und von vorne. Doch jeder Mensch hat ja einen Geist, wir können mit unserem Kopf viel, viel mehr als jedes Tier, da können wir uns doch zusammennehmen und etwas für´s glückliche Leben tun. DAS ist doch Kultur – jedenfalls sehen wir Ghân das so."

Jetzt verstehe ich die frühe Geschichte des Volkes von Rohan besser: In uralter Zeit lebten wir auf der Insel Númenór sehr glücklich, doch mehr und mehr machte sich das Unglück breit und das Glück verging. Die Ursache war, daß die Númenórer blind waren für den unglücklichen Geist Sauron, der kam und das Unglück in dieses Volk einpflanzte und es damit verdarb. Aus den Resten der Númenórer sind schließlich unsere Vorfahren hervorgegangen. Wir mußten uns das Glück auf´s Neue erarbeiten, arbeiten immer noch daran, mit jedem Rohirrim von Neuem.



Heft 15 im Buch. DIE SIEBEN PUNKTE (CHAKRAS) ODER BLUMEN – DER ZWEITE PUNKT (CHAKRA) – ZEUGEN UND STERBEN, AUCH VOM SEX

"Mit dem Zweiten Punkt, unter dem Bauchnabel tief innen im Körper, da fühlen wir das neue Leben, er ist besonders wichtig wenn wir ein Kind zeugen oder gebären. Aber auch mit dem Sterben hat er etwas zu tun. Vielleicht verlassen wir hier unseren Körper, wer weiß. So habe ich das mal gehört: Hier beginnst du das Leben und hier beendest du es.

"Damit sind wir ja ganz in den ursprünglichen Gefühlen: Sex, Gebären, geboren Werden, Sterben.

"Im Ersten Punkt aber sind wir ganz im Leben selbst, im Leben DIESES Körpers, in dieser Welt."

Hat der Zweite Punkt tatsächlich etwas mit dem Sex zu tun?, frage ich sie.

"Ja, sagt sie, wenn wir einander begegnen weil wir den Körper des Anderen besonders gerne haben, berühren wir mit der Hand zuerst am unteren Bauch diesen Punkt. Und auch Sterben hat etwas mit Sex zu tun: für uns ist das nicht so was Ernsthaftes, aber ich habe gesehen, daß ihr in Rohan eure Seelen beim Sex und beim Sterben verspannt, ihr könnt das nicht einfach so lassen wie es ist. Ach, ihr verspannt euch überhaupt das ganze Leben – vielleicht schon bei der Geburt, oder? `Das gute Leben´ ist nicht verspannt, kein `gutes Leben´ ist verspannt. Und ich sehe nicht, daß ihr ein `gutes Leben´ lebt. Ihr tut mir immer wieder leid, wenn ich euch sehe.

"– ja, vielleicht seid ihr schon bei der Geburt verspannt, wer weiß, was eure verspannten Mütter euch schon vor der Geburt mitgegeben haben.

"Das schönste Sterben ist, wenn du im Zweiten Punkt ganz entspannt bist, und der schönste Sex auch. Hier im Zweiten Punkt kann Entspannung kommen. Hier verlässt du wieder diesen Körper – ganz entspannt?"

Wen darf man bei euch am Körper berühren, gibt es das auch, daß man jemanden nicht berühren darf? Zum Beispiel Mann und Mann, oder Erwachsene die jungen Ghân?

"Nein, so ist das nicht. Wenn beide es mögen, dann berühren wir uns, wenn eins nicht, dann nicht – ist doch ganz einfach, oder?"

Wenn ich an Rohan denke, ist es nicht einfach. Wenn ich mir vorstelle, was wäre, wenn ich eine Frau berühren würde, die mir nicht gehört – oh, oh –, oder gar eine fremde Frau mich! Wenn jemand ein fremdes Kind berühren würde, würde er schnell bei Gericht angezeigt werden, selbst das eigene Kind dürfen wir nur zuhause in den Arm nehmen, außer wenn es noch ganz klein ist.

"Nein, bei uns geht es darum, daß wir einander verstehen, und dann ist das Treffen sehr intim und tief – auch wenn viele dabei sind – intim und tief: das ist doch unser Leben, nicht wahr? So sind wir doch alle geboren, oder? Ihr in Rohan seid so wie GEMACHT, wie ein Werkstück, ihr seid nicht wie geboren aus dem Leib von einer lebendigen Frau. Außerdem – was heißt schon `gehören´? Wie kann dir denn eine Frau oder ein Kind gehören oder nicht? Das verstehe ich überhaupt nicht."

Dazu mag ich nichts sagen, denn es würde mich beschämen, so was über unser Volk in Rohan eingestehen zu müssen. Doch es ist ja so im Lande Rohan. Und eigentlich ist es ja sehr absonderlich, daß sich Leute, die sich lieben, gegenseitig gehören, oder?

Und wie fühlt sich das Sterben an? Du sagst, ich werde den Tod hier im Zweiten Punkt fühlen – so wie den Sex? Das widerspricht sich doch!

"Man sagt, du stirbst vom Kopf an abwärts und von den Füßen an aufwärts, bis der letzte Funke des Lebens an diesem Punkt aus dem Körper entweicht. Ob du das noch bewußt merkst, weiß ich nicht, doch vielleicht wirst du im Sterben so wach sein, daß dir das nicht entgeht – an deinem Gesicht können wir das nicht mehr sehen, das ist dann still und glücklich, hat schon los gelassen. – Jedenfalls möchten wir Ghân das so erfahren, dafür tun wir viel im Leben. Wir möchten das Sterben `erleben´, könnte man sagen. Wir möchten das alles bewußt erleben – wie alles aus dem Körper weicht, und deswegen sehen wir immer wieder auf diesen Zweiten Punkt, das ganze Leben lang."

Wie ist das in Rohan? frage ich mich. Der Erste Punkt wird von der offiziellen Erziehung voll gesteuert: nämlich NICHT geerdet zu sein: das hat ein gutes Ansehen in der dem Wissen und Denken hingegebenen rohirrischen Gesellschaft; wo es Bewußt-heit gibt, lenken wir sie nach oben in das Gehirn, das sich mit Wissen und Denken beschäftigt. Das nennen wir dann Bewußt-sein.

Auch der Zweite Punkt wird in der rohirrischen Erziehung gesteuert: Sex, Gebären und geboren Werden, Schmerzen und Sterben sollen in verschlossenen Räumen stattfinden – außer bei uns Soldaten im Kampf, da dürfen wir öffentlich sterben, aber loslassen im Sterben ist auch nicht angesagt. Ich habe gesehen: fast nie stirbt ein Soldat im Kampf auf schöne gelassene Weise, meistens ist es große Qual, viele Schmerzen im Körper und in der Seele, eingeklemmt zwischen den sterbenden Körpern von Pferden, Kameraden und Feinden, niemand ist da, der einen hinüber geleitet, mit der segnenden (der linken) Hand den Zweiten Punkt berührend, mir der anderen Hand den Kopf stützend oder Wasser gebend. Davon hören wir in der soldatischen Ausbildung nie etwas, obwohl die eigene Qual und der eigene Tod zum Soldaten ebenso gehört wie das Töten und Quälen der Feinde, der Frauen und Kinder. Selbst Sex ist im Krieg mehr erlaubt als im Frieden: wir dürfen die Feinde quälen, mißhandeln und mißbrauchen (obwohl es nicht extra gesagt wird) – wenn wir denn mal feindliches Land erobert haben.

"Also spielt sich ein großer Teil eurer Kriege im Zweiten Punkt ab, oder?"

Nicht nur, sondern auch im Dritten, denn hier wird die Kampfes-Wut erzeugt und gesteuert, beginne ich zu verstehen, und die Angst und andere Gefühle werden unterdrückt.




Heft 31 im Buch. DIE SEELE EINLADEN, DIE SEELE AUSLADEN – ZEUGEN UND STERBEN IM GHÂN-LAND

Eine junge Ghân-Frau sagt mir mal:
"solange Schwangerschaft nicht gewollt ist, nehmen wir alle gewisse Kräuter, nur wenn sie gewollt ist, nehmen Mutter und Vater die Kräuter nicht, sie bleiben dann für sich und laden einen kleinen neuen Ghân ein, zu ihnen zu kommen," – ja, welchen neuen Ghân denn? frage ich.

"Das wissen wir doch auch nicht – aber wenn du eine Seele einlädst, in deiner Familie zu leben, bei euch als Mensch geboren zu werden, mit euch ein `gutes Leben´ zu leben – dann wird eine schöne Seele den Weg zu euch finden. Denn im `vorigen Leben´ haben sich viele Seelen schon auf das nächste Leben vorbereitet und während der Zeiten zwischen den Leben auf den Weg gemacht: sie haben ein waches, liebevolles und stilles Leben geführt, dann haben sie einen klaren Blick und tragen nicht so schwere Lasten mit sich. Dann können sie nach dem Tod selbst einen Weg wählen – entweder werden sie nie wieder geboren und `ihre Kerze erlischt´ oder sie wählen sich einen Platz. Die meisten wollen bei uns hier, bei den Ghân wiedergeboren werden."

Die junge Frau hat ganz andere Anschauungen über die Zeiten zwischen den Leben als der Mann aus der Ewigkeit (oben). Für diesen ist es ja nur eine ERINNERUNG, die sich überträgt von einer zur anderen Person, aber mehr nicht. Und mich erstaunt sehr, was sie über ein voriges Leben sagen, doch mehr dazu etwas später.

Ich frage: wie geht das, `eine Seele einladen´? Und sie berichtet über das geplante ZEUGEN eines neuen Lebens:

"Na, die beiden Eltern feiern dann miteinander, sie richten es sich schön ein, machen sich eine Laube draußen im Wald oder in den Wiesen und schmücken sie mit Blumen, schönen Steinen und dergleichen. Oder sie gehen vielleicht in die Festhalle, da wird dann ein Feuer gemacht und leicht und feierlich getanzt oder so etwas. Meistens ist das Paar allein, aber oft laden sie auch andere ein, dabei zu sein. Und es wird so schön gemacht, wie es schöner nicht geht – wir laden ja eine Seele ein, bei uns zu leben, das kann doch nicht so irgendwie gehen, das ist doch ein ganz besonderes Fest – oder? Wir sind doch keine Tiere! – und selbst unter den Tieren gibt es welche, die ein Fest daraus machen, auf ihre Art.

"Jedes Paar hat eine eigene Art, die Einladung auszusprechen und zu feiern. Jedenfalls gehört viel Stille und Wachheit dazu, und Liebe für alle, und etwas Vorbereitung an den Tagen davor – bald werde ich dich einladen, möchtest du?"

Ein paar Tage später werde ich von ihnen eingeladen. Schon Tage vorher sitzen die beiden fast immer zusammen, gehen zusammen, schwimmen zusammen im Fluß, sammeln süße Früchte und große Blumen, finden besonders schöne Steinchen und tragen alles nach Hause. Sie sind wie ein Honig-Schwalbenpaar, das sich ein besonders schönes Nest baut – die Honigschwalben habe ich nur hier gesehen. Das Ghân-Elternpaar streichelt einander den Körper, nimmt duftende Blätter, macht einen Duftsaft daraus und spielt damit – einander einreiben, unter die Nase halten ... Und oft sitzen sie bei Ulam (Buddha) und feiern seine Schönheit.

"Das Paar trägt flatternde bunte Tücher, neu aus dem Lamedon, die sie im Wind flattern lassen. Sie tanzen umher und lachen alle an und laden alle ein, kommt und seht, wie schön wir es unserer neuen Seele machen."

Der Abend kommt, an dem wir zur Festhalle gehen, alle festlich angetan, feierlich und ein wenig fröhlich. Wir alle waren vorher bei Ulam (die große Buddha-Figur) gewesen und haben gespürt, wie es ist, wenn nun eine neue Seele sich nähert. So schön haben wir in Rohan das nicht, wir sind da ziemlich unbewußt, laden niemanden ein, ich glaube, die meisten Rohirrim würden die Ghân-Art ziemlich albern finden, die Ghân aber unsere Art grausam und häßlich.

Bei uns in Rohan haben wir das knappe Wort `Sex´ dafür, und Sex hat einiges mit den Begierden der beiden zu tun, weniger oder garnicht mit der neuen Seele.

Es ist wie ein Fest mit Tanzen – nur daß das Paar immer im Mittelpunkt ist, alle wünschen Glück, alle laden eine neue Seele ein, manche bringen Glückssteinchen mit für den neuen Ghân, das sind bunte, besonders schön hell schillernde, polierte Steinchen, manche bringen Blumen oder bunte Tücher, Obst, ein Fruchtgetränk, ein paar bunte Federn, einen bunten Federschmuck für die Hütte ...

Das Tanzen – es ist wieder wie der Kranich-Tanz – wird stiller, das Paar wird von den anderen umringt. Ganz große Aufmerksamkeit ist in allen Gesichtern und Stimmen. Ein paar Leute bringen Felle heran und legen sie in die Mitte neben das Feuer. Die beiden gehen hin und setzen sich einander gegenüber, mit übergeschlagenen Beinen ... rundherum die anderen.

Nun hat sich das Paar in Tücher gehüllt. Sie sehen einander lange in die Augen, summen vielleicht etwas gemeinsam, und die anderen mit. Frau und Mann verbeugen sich vor einander und begrüßen sich, indem sie den Gott, die Göttin begrüßen. Sie verbeugen sich vor einer kleinen Statue von Ulam und bitten ihn, dabei zu sein. Sie singen eine Anrufung mit lauten Stimmen und sie Gäste summen dazu einen Grundton.

Geliebter Ulam, wir sind ein junges Elternpaar,

das eine kleine Seele einlädt.


Geliebter Ulam, wir sind ein junges Elternpaar,

das eine kleine Seele empfangen will.


Geliebter Ulam, gib uns die Freude aneinander,

daß wir eine besondere Vereinigung miteinander erleben können

– den Gästen und der neuen Seele zum Genuß.


Ich, der Vater, will der Mutter, der geliebten Frau,

den Samen aus meinem Leib geben, damit für die Seele

ein junger Körper wachsen kann.


Ich, die Mutter, will den Körper der jungen Seele

in meinem Leib hegen und wachsen lassen.


Wir widmen unser Elternleben deinem Andenken, deinen Lehren.


Demütig wollen wir die kleine Seele annehmen,

wer auch immer kommen wird.


Geliebter Ulam, hilf uns durch deine Lehren,
gute Eltern zu sein.


Geliebter Ulam, wir wollen die neue Seele annehmen

und sie einladen, mit uns zu leben, bitte hilf uns dabei

durch deine Lehre und dein Sein.


Geliebter Ulam, gib uns die geistige Klarheit,

die die kleine Seele an uns braucht um zu wachsen und zu reifen.


Und sie nähern einander und vereinen ihre Körper, sehen dabei zu, daß das Feuer des Anfangs verhalten bleibt und beide nicht sofort in die große Erregung geraten. Ihre Körper sind nun eins, ihre Seelen haben sich verbunden und sind eins. Und so schweben sie durch die heiligen Himmel ihrer Liebe – lange und mit ab- und zunehmender Erregung. Beide achten darauf – und sagen es einander mit leisen Worten –, daß sie gleichzeitig im Hellen und im Dunkeln sind.

Und schließlich, einander Zeichen gebend, lassen sie ganz los und lassen sich treiben in die tiefste Erregung und Vereinigung – und das ist der Augenblick, wenn die neue Seele den Eingang finden kann, nun muß sie nicht mehr suchen nach einem Schoß zum neuen Leben. Er ist gefunden. Und alle singen voller Freude über diese schöne Einladung und dieses schöne Fest!

Die Erregung dieser Vereinigung spüren nun alle Gäste und sind sehr glücklich, dabei zu sein. Viele erleben in dieser Nacht das Göttliche ganz nahe, ja ihre Seelen vereinen sich mit dem Göttlichen. Denn die Erregung der Vereinigung breitet sich in den Körpern, den Sinnen und den Seelen aus und treibt sie in alle Tiefen und Höhen hinein.


Ich frage, ob sie erkennen können, welche Seele in welchem neuen Körper einkehrt und wiederum im Leben erscheint. Der `Mann aus der Ewigkeit´ ließ mir zu dieser Frage die folgende Botschaft überbringen:

Ich kann das oft ganz klar sehen, doch für die meisten Ghân ist es sehr schwer. Manche können es lernen – doch große Wachheit und Aufmerksamkeit und Menschenkenntnis gehören dazu. Und ich muß ja das erste Gesicht von früher her kennen, damit ich es wiedererkennen kann.

Auf meine Frage, ob ein Paar eine bestimmte Seele einladen kann, meint er in seiner Botschaft:

Man kann es versuchen, doch damit die Einladung gelingt, muß das Paar große geistige Klarheit und Weitsicht haben – sie dürfen sich also nicht durch die große Erregung während ihrer sexuellen Begegnung ablenken lassen, und wer kann das schon. Es wäre zu riskant, eine bestimmte Seele einzuladen, denn wenn es nicht gelingt, sind sie lange, lange enttäuscht, und das treibt einen schweren Keil zwischen die Eltern und das Kleine (das `mißratene´ Kind würden wir in Rohan dann sagen).

Das Risiko ist zu groß. Ich würde sehr abraten. Man übt ja einen Zwang auf die noch freie Seele aus. Sie hat nun nicht mehr die Freiheit der eigenen Wahl.

Später werden Säfte herum gereicht, man umarmt einander voller Freude, und das Elternpaar verharrt voller Rührung noch lange umschlungen. Verstohlen und scheu sehen sie unter ihrer Felldecken hervor und genießen die Glückwünsche und ein paar Schlucke der süßen Säfte. Die Mutter hält mit ihren Händen ihren Schoß, voller Fürsorge das Neue schützend. Der Vater sitzt nun dabei und hält besorgt seine Hände um seine Geliebte.

Die ganze Nacht bleiben die Gäste zusammen und bewachen den Schlaf der beiden. Am Morgen bringen sie Tee und Süßigkeiten und übergeben ihnen die Geschenke. Danach gehen alle zu Ulam´s Statue und sitzen dort lange Zeit still und in erwartender Ruhe, aufmerksam lauschen sie auf alles, was in der Welt geschieht.

Ich bin traurig, daß wir in Rohan so etwas nicht kennen – wie einheitlich sind die Ghân doch durch diese Art, immer wieder im eigenen Volk zur Welt zu kommen.


Ich frage nach dem STERBEN. Nun gibt mir eine alte Frau Bescheid, sie mag nicht mehr weit entfernt sein vom Tod.

"Wenn jemand stirbt, nennen wir es „eine Seele ausladen“ – das Fest ist dann ähnlich –"
sagt sie in ihrer alten Stimme.

"Wir sind bei dem Sterbenden und feiern das Sterben, eigentlich soll ich sagen: das Weitergehen. Wir verlassen diesen Körper und gehen woanders hin weiter.

"Da gibt es bestimmte Leute bei uns, die begleiten die Seele noch eine Weile, ein paar Tage, helfen ihr, immer bewußt zu bleiben und den Weg aus dem Körper hinaus zu finden und weiter, wohin sie will – oder richtiger: wohin sie zu Lebzeiten wollte, worauf sie sich vorbereitet hat. Wir nennen den Begleiter `Lamb´n´, das bedeutet so viel wie Begleiter durch alle Leben und Tode, Begleiter in den Zeiten zwischen den Leben.

"Die Seele hat ja kein Gehirn mehr, hat keinen Körper mehr zur Verfügung, sie kann nun also nicht denken und so, sie kann sich auch nichts merken wie man das im Leben kann. Eigentlich weiß ich auch nicht, was dann ist, wie sie mit dem umgeht, was ist. Aber es ist einfach unsere Art, so mit der ganzen Sache zu leben.

"Dann kommt der Augenblick, wenn die Seele den Körper verlässt. Das Gesicht wird hell, und alle singen leise ein schönes Lied, zum Abschied, und wir weinen ein bißchen. Der Tote liegt noch ein paar Tage auf seinem Sterbelager, und während dieser Zeit ist der Lamb´n noch dabei und hilft weiter.

"Wenn die Seele den Körper ganz verlassen hat – der Lamb´n weiß das und gibt ein Zeichen, das dauert ein paar Tage –, dann wird der verlassene Körper auf einen Hügel in der Nähe getragen und dort vergraben. Ein Stein wird als Zeichen hingelegt, damit diese Stelle nicht so schnell wieder aufgegraben wird, doch sonst kümmern wir uns um die Stelle nicht mehr. Nur in den ersten Tagen nach dem Tod gehen besonders Berührte zur Grabstelle und sitzen dort eine Weile oder tanzen oder singen.

"Wer noch weiter Kontakt mit der Seele behalten will, legt sich ein Zeichen in die Hütte oder an eine andere Stelle, dieses Zeichen ist für die weggegangene Seele, und wir sprechen dann noch mit ihr."

Uns in Rohan und Gondor interessiert das alles nicht, so lange wir im Leben drin stehen. Und was dann beim Sterben geschieht ... Das Sterben und die Sterbenden schieben wir weit weg, am liebsten in diese kleinen Dörfer vor der Stadt, in denen die Sterbenden noch ein wenig `aus dem Fenster sehen können´, wie wir sagen.

Deswegen war ich so hilflos, als während des Krieges so viele um mich herum starben, schreiend und voller Schmerzen und ohne Wissen, was nun kommt, und voller Angst. Das passte nicht in mein Bild vom Sterben. Deswegen bin ich nun begierig zu hören, wie die Ghân `Leben und Sterben´ erleben und damit umgehen und feiern – es scheint, als wenn ihnen das viel leichter fällt als uns. Doch Kriege kennen sie nicht und haben im Sterben auf dem Schlachtfeld keine Erfahrung.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich mich auf das Sterben und die Zeit danach vorbereiten könnte – obwohl ich mich danach sehne, es zu erfahren. Und: was heißt das, `sich vorbereiten´? frage ich also.

"Das ganze Leben bereiten wir uns vor – nicht so sehr auf das Sterben sondern auf das `Leben und Sterben´ wie wir sagen – denn Leben und Sterben gehören nun mal zusammen – oder besser `hier im Leben sein´ und `auf der anderen Seite sein´.

Was macht ihr da?

"Sieh mal, beim Sterben und in den Zeiten zwischen den Leben begegnen einem allerlei Geister und Gestalten und Erinnerungen und so weiter – wenn man stirbt. Und da ist es gut, wenn man das schon vorher weiß und keine Angst hat. Dann nehmen wir uns vor, für alles, was uns begegnet, selbst die Verantwortung zu tragen, kurz gesagt, – denn schließlich passiert das alles ja nur IN MEINEM Geist, und nach dem Sterben nur noch IN MEINER Seele; nichts und niemand sonst hat die Verantwortung. Und wenn schon – es bringt nichts, andere zu beschuldigen – ich muß da ganz allein durch. Ja, solche Sachen lernen wir, das gehört zu unserer Lebenserfahrung sozusagen.

"An Freunden sehe ich, daß das Sterben ein sehr starkes und sehr dichtes Geschehen ist. Denn wichtige Erlebnisse deines Lebens, die sich tief eingegraben haben in deiner Erinnerung, treten nun noch mal nach vorne und zeigen sich dir – besonders die peinlichen, tragischen und schmerzhaften Erlebnisse haben ja Spuren hinterlassen, und diese Spuren erscheinen dir nun, sozusagen `Kratzer´. Das sind die Spuren, die als ERINNERUNG den Tod überdauern und später wieder in ein neues Leben eintreten können und dort dann Einfluß ausüben.

"Es ist gut, wenn du diesen Spuren beim Sterben begegnen kannst, und selbst die Verantwortung für ihr Entstehen übernehmen kannst. Das macht sie wirkungslos, und du hast dich ihrer entledigt."

Aber es ist doch oft so, daß jemand anderes die Schuld hat für mein Leiden, dann kann doch nicht ICH die Schuld übernehmen!

"... nein das ist nicht eine Frage der Schuld. Die mag so liegen wie du sagst. Aber das hilft nichts: das Leiden IST IN DIR, und NUR DU kannst die Verantwortung übernehmen, nur du kannst was tun in deiner Seele.

"Doch das muß man lernen und über das ganze Leben immer wieder bedenken."

Wie lernt ihr das? Gibt es da eine Art Sterbe-Schule?

"Nein" – sie lacht fröhlich über meine Idee. "So wie wir uns oft Geschichten erzählen, erzählen wir uns von dem, was während des Sterbens und danach so vorgeht – es gibt da Leute, die das besonders gut können, die Lamb´n. Sie erzählen für jeden Tag während des Sterbens und für die Zeiten zwischen den Leben, was man da sieht, hört, fühlt, ja erlebt, und wir lernen das einfach und behalten es – schon im ganzen Leben lernen wir das."

Behaltet ihr so was?

"Ja, denn nach dem Sterben ist die Erinnerung zehn mal so klar wie im Leben. Im Leben sind wir mit so vielen anderen Dingen beschäftigt ...

"Und dann, wenn die Seele den Körper endgültig verläßt und der Körper zu leben aufhört, das Herz stillsteht, sitzt ein Lamb´n dabei und begleitet das Sterben und den Weg der Seele aus dem Körper hinaus, aus dem Bewußtsein hinaus, und hilft dem Sterbenden zu erkennen, was ihm gerade vor die Sinne kommt – oh, da können häßliche Geister kommen, schreckliche Laute und Gefühle, Angst vielleicht, oder auch Freude ... und wer Glück hat oder im Leben sich schon vorbereitet hat, für den ist der Tod die große Loslösung, und das ist Seligkeit – so habe ich das gehört. Es gibt Leute, die den Tod schon mal ein Stück gesehen haben und wieder aufgewacht sind – die haben berichtet, daher wissen wir es. Und es gibt Leute, die sich an den Tod eines früheren Lebens erinnern können."


Ein anderes Mal frage ich einen Einsiedler, der alt und voller Erfahrungen ist: Weißt du wie es innen aussieht, wenn man stirbt? Welche Eindrücke kommen dann?

Er sagt:
"Ich versuche das mal zu erzählen, doch bei jedem Menschen ist das anders, und es gibt verschiedene Arten, das zu sehen. Ich spreche nur über den Tod, wenn er zu einem Sterbenden kommt, der in Ruhe liegt und ihn erwartet. Dann könnte der Lamb´n etwa die folgenden Sätze sagen, immer wieder über eine lange Zeit von einem Tag oder länger ausgedehnt:

– du läßt dich los, immer mehr, läßt dich ganz in
den Untergrund los, lässt deinen

Körper ganz tief in den

Untergrund sinken,
da ist er bald zuhause


– du spürst einen großen Druck, es drückt dich

in die Erde hinab, dein Körper

wird immer schwerer und versinkt

in der Erde, da ist er bald zuhause


– die Erde löst sich auf, nur Wasser spürst du noch


– das Wasser löst sich auf, Feuer ist da


– das Feuer löst sich auf in Luft, fast in nichts


– nun zerfällt der Körper in viele, viele kleine Einzelteile


– zerfällt, löst sich auf und verschwindet vollständig und endgültig


– und von der Luft bleibt schließlich nur noch Licht


– klares Licht


– es ist tiefer Friede, du bist allein und
alles ist gut, vollständig gut


"Nun bist du nicht mehr in der Zeit und im Raum, da ist nichts mehr, an dem du dich festhältst. Doch es können noch viele Dinge geschehen, denen du begegnest:

"... viele Lichter und Geräusche und Geschehnisse, eigenartige Lebewesen, Freuden und Bedrohungen. Je nachdem, wie es in deiner Seele aussieht, wie ruhig oder unruhig sie ist; ja, je nachdem, wie ruhig oder unruhig sie ist; je nachdem, in welcher Weise dein Leben deine Seele geformt hat; je nachdem wird es nun schön, oder so là là, oder es wird häßlich und es scheint gefährlich zu werden. Du siehst, warum wir Ghân `das gute Leben´ führen: damit das Sterben nicht qualvoll wird, sondern schön und ein Segen."


– nein nicht nur damit das Sterben schön wird, bemerke ich, sondern auch für das Leben hier und jetzt. Das ist doch wichtiger, denn das Leben dauert lange und das Sterben nur ganz `kurz´. Doch die Ghân kennen nicht so etwas wie Zeit-Abschnitte, haben auch kaum Zeit-Maße, zeitlich leben sie eher wie im Nebel, man weiß nicht, wo die Grenzen sind. Also geht es ihnen gar nicht um das Sterben sondern um die Zeit – oder wie soll ich sagen – das Sein vor beziehungsweise nach dem Leben.

Ich frage, wie es mit der Zeit steht, hat `der´ Sterbende `etwa´ noch ein Gefühl für Zeit, und wie ist es im Tod?

"Das Sterben ist ja etwas sehr langes. Für die dabei sitzenden Lebenden sieht es kurz aus, ein halber Tag oder so. Aber je tiefer du selbst in den Tod hinein sinkst, desto länger wird die Zeit, schließlich löst sich die Zeit auf und alles ist in der Ewigkeit – alles IST, sonst nichts, kein Werden oder Vergehen mehr, keine Änderung, alles IST. Anders kann ich es dir nicht sagen, doch es sind nur ungeschickte Menschenworte."

Was ist das eigentlich, wenn du von LICHT sprichst? Von KLAREM LICHT?

"Das ist nur ein Bild. Da der Tote keine Sinne mehr hat, kann er auch kein Licht sehen wie wir hier. Doch es ergibt denselben Eindruck. Kennst du das nicht: für die Augen ist es tief in einer Höhle vollständig dunkel, dennoch ist da ein leichter Schein, nicht klar, nur so ungefähr. So ähnlich ist es wohl, was die Lamb´n meinen, nur stärker – denn wenn du tot bist, stören dich die Eindrücke der Augen nicht mehr, ja nicht einmal die Erinnerung daran. Auch das Wort Licht hast du nicht einmal, denn der Tote ist ja tot, es ist eben nur ein Bild, damit das, was die tote Seele empfindet, für dich hier im Leben verstehbar wird."

Wenn der Tod nun sehr schnell kommt – uns kann das ja im Krieg leicht passieren – oder wenn einem ein umstürzender Baum auf den Leib fällt, im Sturm – was dann, wie könnt ihr `richtig´ sterben, wie kann ein Lamb´n so schnell kommen? Was macht ihr dann?

"– ach, wir versuchen, den Sterbenden langsam und in Ruhe sterben zu lassen, mit hellem Geist, ganz klar und bewußt. Wir sind ganz klar bei ihm. Wenn es nicht gelingt, hoffen wir, daß das Sterben nicht so schwer ist – schließlich haben wir es ja alle gelernt –, und wir hoffen auch, daß der Tote sich ein neues Leben aussucht, in dem er die Dinge nachholen kann, die ihm im vorigen Leben nicht gelungen sind, zum Beispiel richtig sterben ..."

was heißt das: `voriges Leben´? unterbreche ich.

"Einige von uns können sich erinnern, wie das früher war, in einem vorigen Leben, und haben uns davon berichtet. Besonders kleine Kinder erzählen da noch vieles, ihr Gedächtnis ist noch nicht so beladen mit Erlebnissen aus diesem Leben ..."

– ich werde ungeduldig: eh, was IST das denn nun, frage ich erschreckt und belustigt und noch immer verwirrt: ein `voriges Leben´? Das gibt´s doch nicht, man lebt nur einmal und damit Schluß.

"Na ja, manche sehen das so, andere anders. Die meisten hier sehen das so, daß wir alle schon immer da waren und wieder da sein werden. Es gibt sogar Leute, die sich erinnern, wie sie schon einmal gelebt haben, dann starben und nun wieder auf der Erde sind und wiederum leben."

Was ist denn DAS nun: `schon immer da waren´? Und was war davor? frage ich.

"Ach, man kann auch Dinge fragen, auf die es keine Antwort geben kann, und damit versäumst du das Hinsehen auf das, was tatsächlich ist," sagt Mûr, und: "du willst für alles eine klare Antwort haben, doch damit bleibst du stecken beim Denken und Wissen und bei Worten, doch das wirkliche Sein ist viel mehr, da ist unser kleiner Kopf einfach zu klein. Laß es so."

Mir scheint, ich verliere mich da in eine ganz andere, für mich ganz neue und unfassbare Philosophie, verliere mich und weiß keinen Weg mehr hinaus. Mûr fragt, "was ist denn `eine Philosophie´?" Ich erkläre ihm, daß man die Dinge des Lebens so oder so oder noch anders sehen und darüber nachdenken kann – doch für Mûr gilt nur, wie es IST – und das reicht. Was hätte denn das für einen Sinn, die Dinge so oder so zu sehen und darüber nach zu denken? Da wüßte er schönere Spiele.

Er sagt dann: "ich glaube, mit eurer Philosophie geht ihr weg vom Leben, weg von dem Ganzen, was ist. Ihr erfindet Wörter für etwas, was nicht ist, sondern was ihr erfindet – ein schönes und riesig großes Spiel, vielleicht auch spannend, aber was bringt das? Man reibt sich damit auf und hat keine Kraft mehr zu leben und sich um die Nahrung zu kümmern – na ja, ihr braucht ja nicht so viel zu arbeiten, weil das Klima bei euch unten im Rohan den Kohl schneller wachsen läßt. Solche Spiele sind für Leute, die alles haben.

Wir hier im Ghân-Land erleben recht viel von dem, was IST, und damit genug. Und mit eurer `Philosophie´ erlebt ihr lediglich kleine Teile eures Lebens, das was ihr denkt, mehr nicht. Sogar vor dem, was die eigene Seele erlebt und sagt, und wie sie manchmal Schmerzen oder Freuden hat, versperrt ihr euren Blick. Nur denkt ihr und redet immer und versäumt damit, euch selbst anzusehen und – zu lieben! Die arme Seele muß im Dunklen leben, ganz für sich allein – muß sie da nicht traurig werden?"

Ich merke, wie mich das trifft, was er sagt. Es ist schwer, sich davon zu lösen ...

"Warum tut ihr das? Ich glaube, das hat was damit zu tun, daß ihr euch selbst rechtfertigen wollt. `Wer bin ich?´, fragt sich das nicht jeder Mensch? Und ihr glaubt, ihr wißt die Antwort, wenn ihr sagt, ich heiße so und so und bin Reitersoldat beim König und war im Krieg tapfer oder auch nicht und kann Pferde erziehen. Das ist doch alles Wörter-Kram, das bist nicht wirklich du!"

Und wer bin ich? frage ich, und wie erfahre ich das?

Mûr sagt,
"geh zur Statue Ulam´s, sitze da lange. Dann kommt langsam, langsam die Antwort – aber ICH kann sie dir nicht sagen, denn die Antwort ist nur in dir."

Ich verstehe nicht einmal, was und wie ich fragen soll, damit eine Antwort kommen könnte. Mûr springt hoch und schreit mich an:

"auch DAS ist doch Wörter-Kram. Sitze einfach da und laß alles Fragen einfach los: sieh einfach hin, was IST und geschieht, und laß es sein und geschehen."

Ich frage, und wie ist das dann beim Sterben? Hat das damit was zu tun? Er schüttelt den Kopf – ist er nun verzweifelt mit mir? – und grummelt,
"du wirst merken, es gibt niemanden mehr, der stirbt."

Oh Schock, was meint er nun? Das passt gar nicht in das, was ich heute schon gehört hatte. Das verwirrt mich immer mehr.

"... ja so ist das bei uns Ghân, wir (ein wenig bin ich auch schon Ghân) haben KEINE FESTEN LEHRMEINUNGEN, sondern wir berichten dir einfach, was wir gerade sehen – mal dies, mal das."

Also: "es gibt niemanden mehr, der stirbt – oder anders gesagt: es ist recht zu sterben, dieses Leben zu verlassen, weil die Zeit dafür reif ist. Und wenn wir der Seele von dem Sterbenden noch helfen, den Weg zu finden, ist das nur, damit sie den Weg nicht verfehlt, denn es könnte ja sein, daß sie im Leben nicht alles gelernt hat, was nun – in den Zeiten zwischen den Leben – nötig ist.

"Doch Menschen, die alles gelernt haben, brauchen die Hilfe der Lamb´n nicht. Das merken die Lamb´n dann schnell – solch ein Sterbender hat eine sehr ruhige und zufriedene Ausstrahlung und lässt sich einfach los, lässt das Leben einfach los, und die Lamb´n sitzen nur ehrfürchtig da und staunen. Wer dabei ist, gewinnt sehr viel, wenn so jemand fortgeht: Kraft, Zufriedenheit ..."

Sie sterben bewußt, mit offenem Geist! Sage mir bitte mehr dazu.

"Wir sagen, bewußt zu sterben bereitet uns vor für ein reiches Leben danach, im nächsten Leben – doch auch für das nun hinter uns liegende Leben, denn das hinter uns liegende Leben war ja schon angefüllt mit den Lehren über Leben und Sterben und war dadurch sehr bewußt und klar! Wenn wir bewußt sind, ist auch der Unterschied zwischen Leben und Tod klein. Wir nehmen das alles nicht so ernst."


Lange, lange denke ich über diese Dinge nach. Heute weiß ich, daß ich viel zu lange darüber nachgedacht habe, denn das DENKEN hat mir das Erkennen nicht gebracht, Denken hat nur das Wissen gebracht, wie sie es meinen, doch nicht, wie es IST.

Aber einige Wochen später ein anderes Gespräch:
Ihr merkt, ich bin sehr verwirrt, ich denke mal wieder nach und frage ein paar Leute, mit denen ich eines nachts zusammen in meiner Hütte am Feuer sitze:
... wenn ich nun sterbe, und ich sterbe bewußt, wie ihr es sagt, dann – so höre ich immer wieder von euch – dann werde ich später wiedergeboren und das, was in diesem Leben war, spiegelt ins nächste Leben hinein und beeinflußt dieses neue Leben, es ist wie eine Art Gedächtnis, das im nächsten Leben wieder lebendig wird – auch wenn wir es nicht merken. Dazu brauche ich aber doch ein Gehirn, einen Körper oder wenigstens so etwas wie ein Buch, in dem alles steht, was sich im vorigen Leben angesammelt hat, – aber das alles ist doch gar nicht da in dieser Zwischenzeit, ist tot und verwest und nicht mehr brauchbar.

Dieses Gedächtnis ist wie mit Wasser, das ich wegtragen will: ich brauche doch den Eimer – das Gehirn – dazu, denn wenn der Eimer plötzlich weg ist, läuft das Wasser aus und ich kann es nicht mehr tragen; oder wenn ich eine Geschichte oder einen Kriegsbericht in der Bücherei aufbewahren will, brauche ich Papier und geschriebene Buchstaben und Sätze ...

? BBBRRRRATTT!


– schreit es da, ich schrecke hoch, meine schönen Gedanken sind zerfetzt ...

"Laß doch das Denken sein!

"Denken ist Dummheit –"

So meinen die das hier. Dennoch höre ich in dieser Nacht noch einiges:

"Nein, von Gedächtnis sollten wir hierbei nicht mehr sprechen, da hast du recht, auch nicht von Seele. Wir sagen zwar manchmal, um es besser erklären zu können, die SEELE wandert von einem Leben zum nächsten und nimmt ihr altes GEDÄCHTNIS mit sich. Doch das ist ein Wort, damit wir überhaupt was zu sagen haben. Ob es stimmt, wissen wir nicht, und ich glaube es auch nicht so, höchstens, daß es vielleicht sein KÖNNTE.

"Ich WEISS nichts von der Seele, wie sie vor meiner Geburt war, und ob es sie gab. Ich kann das denken und sehen, aber ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht von einem Gedächtnis, das Erinnerungen von früher mit herüber schleppt. Was ich aber leicht sehen kann und weiß – auch bei anderen – ist, daß irgend etwas in dem neuen Leben erscheint, was nicht nur der Körper ist: ein ganz eigener Charakter und auch ein ganz eigenes Schicksal scheinen durch, und die werden schon in den ersten Lebenswochen eines Neugeborenen für die Umstehenden sichtbar – für ihn selbst aber erst, wenn er 12 Jahre oder länger Lebenserfahrung hat."

Ich habe ja neulich in einem kleinen Dorf nahe dem Gebirge `den Mann aus der Ewigkeit´ (seht oben) erlebt, der sich DOCH erinnert, das sei aber nicht angenehm, meint er. Ich wiederhole hier mal ein paar seiner Sätze: Es ist sehr angenehm, ihm zuzuhören, sein Gesicht ist so schön, seine Bewegungen einfach und klar. Ich fragte ihn nach seinem Gedächtnis über andere Leben, und er sagt:

"Ja, es ist eigenartig, MEIN Gedächtnis ist so offen für Erlebnisse aus vorigen Leben, mir scheint, auch aus späteren Leben. Doch es scheint, ich bin eine große Ausnahme, selten ... Ich sehe in andere Leben, die ich mal lebte – oder leben werde, vielleicht.

"Ich kann nämlich ungefähr sehen, in welcher fernen Zeit ich das gerade erlebe. Ich muß `sehr´ sorgfältig mit mir umgehen, damit ich mich nicht verwirre und in den Zeiten verirre und verliere. Da brauche ich viel, viel Stille und Alleinsein. Oft weiß ich nicht, in welcher Zeit ich gerade bin, es scheint, als ob ich in der Zeit auf- und abwandere. Um im Hier und Jetzt zu bleiben, muß ich immer scharf aufpassen und lange Zeiten innerer und äußerer Stille haben, muß einfach da sitzen und ganz still sein, brauche viel Zeit dafür.

"Wenn ich mich mal verliere, gibt es doch schnell einen Weg wieder ins Hier und Jetzt: ich muß nur auf eine Art kleines Männchen tief in mir hören. Das Männchen ist mein ICH in diesem Leben – in den anderen Leben sehe ich so ein Männchen nie –, und das weist mir den Weg, den geraden Weg zum Hier und Jetzt, den klaren Weg. Dann ist sein Wink wie ein dünnes Rinnsal mit klarem Wasser in meiner Seele, das ich immer beobachte und von dem ich nie abweiche. Dieses Männchen, das bin ICH, das ist meine tiefste Erfahrung des ICH.

"FRAGT mich NIE nach etwas aus den anderen Zeiten und Räumen, denn das würde mich verwirren. Hört einfach zu, was ich in eigener Verantwortung berichte. Wenn ich irgendwann mal ganz still werde, laßt mich und seid auch still, ich gehe dann das Rinnsal entlang um meinen Weg wieder zu finden, den ich auch bald finde. Dann könnt ihr wieder zu mir kommen.

"Wenn ich so erzähle aus anderen Zeiten oder von anderen Orten, bin ich nie in Trançe, bin so klar wie immer. Ihr seht auch, ich darf mich nicht zu viel um andere Zeiten oder Orte kümmern, sonst wird es schwierig. Ich gehe mit dem Geist da überall spazieren, und mein kleines Männchen passt auf.

"So erfahre ich das in diesem Leben. Doch wo war meine Seele oder das Männchen oder etwas anderes vor diesem Leben, bevor dieser Körper geboren wurde? Ich scheue mich, dazu was zu sagen, denn vielleicht würde mich das sehr verwirren. Ich will da nicht hineingehen. Ich will das mal in großer Stille und wenn ich ganz allein bin sorgfältig ansehen und werde euch dann berichten."


Eine Abschluß-Betrachtung "Mein Tod" findet ihr hier: http://mein-leben-und-sterben-drei-bis-fuenf.blogspot.com/2011/04/vier-abschlu.html



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